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Stellungnahme zu den neusten Recherchen zur Beteiligung von Frontex bei illegalen Pushbacks

Recherchen bestätigen erneut und mit neuen Beweisen, was Betroffene und Aktivist:innen seit Jahren berichten – Frontex spielt eine zentrale Rolle bei illegalen Rückführungen.

Vom NoFrontex-Referendumskomitee

Es ist die massiv ausgebaute Frontex-Überwachungsstruktur, die Ausgangspunkt vieler Pushbacks ist. Frontex spürt Boote oder Menschengruppen auf, die die Grenze überquert haben und informiert dann die lokalen Grenzbehörden. Diese schicken ihre Kommandos los, die den Pushback durchführen – von Griechenland in die Türkei, aber auch vom Mittelmeer nach Libyen. Wichtig dabei: Frontex leitet die Informationen weiter im vollen Wissen über die Folgen. Dadurch macht sich Frontex zum Rückgrat der Pushback-Praxis. Ohne Frontex wäre diese in ihrem heutigen Ausmass nicht möglich.

Es ist wahrscheinlich, dass auch CH-Grenzbeamt:innen an dieser Praxis beteiligt sind. Denn an der griechisch-türkischen Landgrenze, in der Evros-Region, kommen Grenzbeamt:innen aus der Schweiz zum Einsatz – auch in mobilen Einsatzteams. Was, wenn diese die griechischen Einsatzkräfte über die Standorte migrantischer Gruppen informieren und diese in der Folge zurückgepusht werden? Ein illegaler Pushback auf Kosten der Schweiz.

Dennoch fordern die Befürworter:innen von Frontex deren Ausbau. Im Beitrag von SRF kommt Werner Salzmann ausführlich zu Wort: Frontex habe zu wenig Personal, sagt er und spricht davon, dass der Frontex-Ausbau den Grundrechtsschutz stärke. Ein beliebtes Argument der Befürworter:innen. Doch das stimmt nicht. Die neue Verordnung zementiert das alte System, das als Feigenblatt funktioniert und die Politik des Wegschauens, Vertuschens und der Rückführungen erst ermöglicht. Die Frontex-Kontrollmechanismen führen weder zu einer verbindlichen Rechenschaftspflicht noch zu einer effektiven Kontrolle der Arbeit an den Grenzen. Wie kann es sein, dass eine Agentur mit mehreren hundert Millionen Budget, die seit Jahren mit systematischen und schweren Menschenrechtsverletzungen in Verbindung steht, keine verbindlichen Kontrollmechanismen hat? Das ist kein Zufall; es ist politisches Kalkül, das weiterhin bestehen soll. «Einer der grössten Schwachpunkte des Systems der Rechenschaftspflicht besteht jedoch gerade darin, dass es sich auf Mechanismen stützt, die Frontex-intern und rechtlich gesehen nicht unabhängig sind», schreibt Migrationsforscherin Lena Karamanidou. Die Agentur festigt dadurch die Kontrolle über sich selber – und damit auch ihre Unkontrollierbarkeit.

Seit Wochen fordern wir vom Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit Transparenz und aktive Aufklärung über die Haltung und Rolle der Vertreter:innen der Schweiz bei der Vertuschung von Pushbacks im Verwaltungsrat. Ueli Maurer sagt, die Schweiz wolle bei Frontex «Einsitz nehmen» um den Menschenrechtsschutz zu verbessern. Die Schweiz hätte seit 2009 die Möglichkeit gehabt, sich für Verbesserungen stark zu machen – bis heute bleiben das reine Lippenbekenntnisse. Solange die Behörden trotz intensiver Nachfrage nicht den Gegenbeweis antreten, muss davon ausgegangen werden, dass sie sich im Rahmen ihrer Frontex-Tätigkeiten weder aktiv noch effektiv gegenüber Menschenrechtsverstössen verhalten haben.

957 Menschen wurden alleine in der Ägäis auf dem Meer ausgesetzt – unter direkter und indirekter Beteiligung von Frontex, mitfinanziert durch die Schweiz. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Insgesamt dürften es unzählige mehr sein.

Heute wurde zudem publik, dass Frontex-Chef Fabrice Leggeri sich dem öffentlichen Druck beugt und voraussichtlich seinen Posten räumen wird. Ein Erfolg für all die Menschen und Organisationen, die sich in den letzten Jahren gegen Frontex eingesetzt haben. Gleichzeitig ist Leggeri nicht allein verantwortlich dafür, dass Frontex bei Pushbacks wegschaut und Gewalt gegen Geflüchtete vertuscht. Das Problem liegt in der Struktur von Frontex selbst sowie an den politischen Entscheidungen europäischer Staaten, die Frontex ihren Auftrag geben: Europa abzuschotten. Der Rücktritt von Leggeri reicht nicht, es ist die tödliche Abschottungspolitik und die Schweizer Beteiligung daran, die endlich ein Ende haben muss.