KKS und der rassistische Migrationsapparat
Wir müssen über den Rassismus des Migrationsregimes und den stossenden Sicherheitsdiskurs reden. Nur damit erreichen wir langfristige und antirassistische Solidarität.
Laut SRF fragte eine Journalistin Bundesrätin Keller-Suter an einer Pressekonferenz, wie Geflüchtete derzeit kontrolliert werden. Die bundesrätliche Antwort wiederspiegelt den derzeit so sichtbaren Rassismus in der europäischen Migrationspolitik. Im Ticker zur Pressekonferenz ist nachzulesen: «Die Sicherheitsprüfung werde gemacht, aber verkürzt, nicht etwa wie bei Herkunftsländern wie Afghanistan oder Syrien, sagt Karin Keller-Sutter. Auch die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) würde die nationalen Grenzbeamten bei den Kontrollen unterstützen. Es sei wichtig, dass Kriminelle oder Terroristen jetzt nicht im Zuge dieser Krise in Schengen-Länder einreisen könnten.»
Dieser Satz ist ungeheuerlich und stellt Menschen aus Afghanistan und Syrien unter Generalverdacht, meint Malek Ossi, Sprecher von NoFrontex, der selbst aus Syrien kommt: «Solche Sätze machen mich wütend. Das ist nicht irgendeine Person, sondern eine Bundesrätin, die so etwas sagt. Es ist pure Diskriminierung. Wir sind jene, die vor Terroristen geflohen sind. Aber solche Aussagen reduzieren uns letztendlich auf Terrorismus. Das führt dazu, dass mehr Hass und Misstrauen gegenüber Menschen aus bestimmten Regionen geschürt wird.» Er ist zudem eine perfide Strategie, die stossende Ungleichbehandlung und Kategorisierung von Flüchtenden zu rechtfertigen. Für NoFrontex ist klar: diese Argumentation hat weder Hand noch Fuss, sie ist purer Rassismus. Dieser zeigt sich bereits bei Grenzkontrollen, wie die NZZaS schreibt: «Am Grenzbahnhof Buchs stiegen Beamte in den Zug und suchten gezielt nach afghanischen Geflüchteten», erzählt Keil, die mit mehreren Personen aus Afghanistan im selben Abteil war. «Die Menschen, einige noch minderjährig, wurden auf entwürdigende Art und Weise angegangen. Die Beamten zeigten auf sie und riefen: ‹Afghan? Out!›». Die rassistische Schweiz 2022 unterscheidet zwischen guten und schlechten Geflüchteten – mit Verweis auf rassistische Sicherheitsnarrative. Es ist beschämend.
Die Abschottung geht weiter: Osterweiterung von Frontex
Diese Kategorisierung zieht sich über die Schweiz hinaus, bis an die EU-Aussengrenzen. Und wer ist da mittendrin? Die von Keller-Sutter bereits erwähnte EU-Grenzschutzagentur Frontex. Noch im Herbst 2021 lobte Frontex-Direktor Leggeri die polnischen Sicherheitskräfte trotz ihrem brutalen und menschenrechtswidrigen Militär- und Polizeieinsatz den aus Belarus kommenden Flüchtenden gegenüber. Jetzt verstärkt die Agentur in ebenjener Region ihre Präsenz und folgt ihren rassistischen Sicherheitsüberlegungen, wie KKS in einem Interview ausführt: «Die Grenzschutzbehörde Frontex unterstützt nun die osteuropäischen Länder bei der Registrierung der ukrainischen Flüchtlinge. Die Lage an der Ostgrenze hat aber auch andere Folgen. Meine deutsche Amtskollegin warnte davor, dass Weissrussland erneut Migranten instrumentalisiert und versucht, noch andere Personen in den Schengenraum einzuschleusen.» Diejenigen, die in unseren Augen instrumentalisieren, sind KKS und ihre deutsche Amtskollegin: sie nutzen die Situation aus, um die EU-Abschottungspolitik für gewisse Menschen weiterzuführen und zu rechtfertigen.
Die Situation wird gerade dafür genutzt, Frontex im Schnellduchlauf nach Moldawien zu schicken. Die militarisierte EU-Grenzschutzagentur soll ihre Präsenz auch an der Ostgrenze ausweiten. Das angestrebte Mandat umfasst die Registrierung und Grenzkontrollen sowie Grenzeinsätze, wie Matthias Monroy berichtet. «Das Statusabkommen soll sich an einer Mustervereinbarung orientieren, die die Kommission nach den Erfahrungen in Albanien und Montenegro und Serbien entworfen hat. Darin sind etwa Exektuvbefugnisse, der Einsatz von Waffen und die volle Immunität der eingesetzten Beamt:innen vor Strafverfolgung im Einzelstaat geregelt», schreibt Matthias Monroy weiter. Und das für eine Agentur die nachweislich Komplizin ist bei schweren Menschenrechtsverstössen. Ein weiterer heikler Punkt: Der Einsatz findet nicht nur am Rande eines Kriegsgebietes statt, sondern betrifft auch einen regionalen Konflikt: die international nicht anerkannte Transnistrische Moldauische Republik, die jedoch von Russland unterstützt wird. Entsendet die Schweiz Beamt:innen in diese Mission? Und ist aus schweizer Sicht nicht bereits das Mitwirken an einer Organisation, die bewaffnete Einsätze in umstrittenen Grenzregionen durchführt, ein Problem?
Die aktuelle Solidarität als Chance: eine andere Migrationspolitik ist möglich
Die gegenwärtige Situation zeigt auf, was alles möglich wäre. Die Solidarität gegenüber Flüchtenden aus der Ukraine ist wichtig und richtig und braucht unbedingt einen langen Atem. Aber es ist ebenfalls wichtig, sich gegen weiterbestehende Diskriminierung zu wehren, die von behördlicher Seite gar noch befeuert werden. Das sieht auch Malek Ossi, der sich einen grundlegenden Wandel in Richtung solidarischer Migrationspolitik wünscht: «Wir haben die historische Möglichkeit, Migrationspolitik neu zu denken. Die aktuelle Situation wird Asyl- und Migrationspolitik wohl grundlegend verändern. Denn nun wissen wir: wenn wir wollen, können wir die Grenze öffnen. Es ist eine politische Entscheidung. Die sollten wir überall treffen. Wir könnten uns heute dafür entscheiden, dass keine Menschen mehr sterben auf dem Mittelmeer.»
Was fordern wir in dieser Situation? Eine Gesellschaft der Vielen und Solidarität mit allen – egal woher sie kommen. Und gemeinsame Perspektiven gegen Krieg und Militarisierung. Dahin ist es aber noch ein weiter Weg, wie ein Blick auf die politische Agenda zeigt. Die gegenwärtige Situation wird dazu genutzt, Frontex-Missionen im Schnelldruchlauf zu planen und die Ungleichbehandlung von Flüchtenden entlang rassistischer Kategorisierungen zu rechtfertigen. Und der Ruf nach Aufrüstung ertönt aus allen politischen Lagern. Dagegen wehren wir uns. Es braucht nicht mehr Frontex oder militärische Infrastruktur für unsere Sicherheit, sondern mehr und vor allem antirassistische Solidarität – nicht nur heute, sondern auf lange Frist.